Band 19 (2024) – State of Art and Science 1984-2024
Doppelheft 1+2, Oktober 2024, 240 Seiten
der Zeitschrift Hypnose – Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie (Hypnose-ZHH)
Inhaltsangabe und Abstracts
Burkhard Peter
Vorwort zu „State of Art and Science“: 1784 – 1984 – 2024
H y p n o s e Z H H 2024, 19(1+2), 5-10
Burkhard Peter
„Damals hatten wir noch Träume.“ Hypnotherapie bei Krebserkrankungen – Ein persönlicher Rückblick nach 40 Jahren
H y p n o s e Z H H 2024, 19(1+2), 11-34
Es werden zunächst Hintergründe des Leitthemas „Hypnotherapie bei Krebserkrankungen“ für das Einführungsheft der Zeitschrift HYPNOSE UND KOGNITION vor 40 Jahren beschrieben, u.a. auch mit persönlichen Beweggründen des Autors. Dann folgt ein kurzer geschichtlicher Überblick der Psychoonkologie, eine Darstellung der Diskussionen über die „Krebspersönlichkeit“ in den 1980er Jahren und der Bemühungen um eine Lebensverlängerung durch Psychound Hypnotherapie. Dargestellt wird auch die darauffolgende große Ernüchterung, als rigoros durchgeführte Studien und Meta-Analysen diese Hoffnungen zunichte machten. Methoden der Imagination, Entspannung und Hypnose gehören heute jedoch ganz selbstverständlich zu den Standardbehandlungen vieler psychoonkologischer und palliativer Einrichtungen.
Schlüsselworte: Hypnose, Hypnotherapie, Psychotherapie, Onkologie, Krebspersönlichkeit
Michael E. Harrer
Hypnose in der Psychoonkologie?
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2), 35-59
Der Rückblick auf 40 Jahre Hypnose in der Psychoonkologie zeigt die nach wie vor aktuellen und wertvollen Möglichkeiten des Einsatzes von Hypnose in der Onkologie auf. Die Zielsetzung, mittels Hypnose den Krankheitsverlauf zu beeinflussen, hat sich in Richtung einer Steigerung der Lebensqualität verändert. Ebenso hat sich das Tabu verringert, Tod und Sterben anzusprechen. Die Möglichkeiten der Hypnose, durch Entspannung und Imagination zu Symptomkontrolle und Lebensqualität beizutragen, haben auch in den entsprechenden Leitlinien Niederschlag gefunden. Im Beitrag wird im Speziellen auf die Bedeutung der therapeutischen Beziehung, auf Aspekte der Teilearbeit, auf Selbsthypnose und die Kombination von Hypnose und Achtsamkeit verwiesen. Zuletzt wird der Beitrag Milton Ericksons in diesem Bereich auch anhand von Fallbeispielen gewürdigt.
Schlüsselwörter: Krebs, Onkologie, Hypnose, Psychoonkologie, Selbsthypnose, Entspannung, Palliative Care, Milton Erickson
Hansjörg Ebell
Annäherungsziele und Vermeidungsziele in der Schmerztherapie. „Was stattdessen“ – Kernelement von therapeutischer Kommunikation, Hypnose und Selbsthypnose
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2), 61-78
Ericksons genialer Vorschlag, die leidvolle Erfahrung „Schmerz“ als ein komplexes Konstrukt zu je einem Drittel aus gegenwärtigem Erleben, assoziativem Rückgriff auf die Vergangenheit (Erinnerung, implizites Gedächtnis) und einer entsprechenden Vorhersage auf eine wahrscheinliche Zukunft zu verstehen, führt zu vielfältigen (hypno-)therapeutischen Optionen. Eine hypnosystemisch fundierte Kommunikation dient dazu, Suchprozesse anzuregen, was „stattdessen“ sein soll und ist damit geeignetes Kernelement für die Zusammenarbeit von Behandelnden und Betroffenen, die sehr verschiedene Perspektiven auf dasselbe („Schmerz“) haben: die Erklärungen (Krankheit) einerseits und die Erfahrung (krank sein) andererseits. Skizziert werden Konzepte, die zur Orientierung auf dem komplexen Feld der Behandlung von akuten und chronischen Schmerzen dienen. Sowohl pathogenetisch orientiertes, schmerztherapeutisches Interventionsdenken als auch salutogenetisch bestimmtes Beziehungsdenken sind dafür notwendig und miteinander vereinbar. Anders als bei akuten wird bei chronischen Schmerzen deutlich, dass Bekämpfungsstrategien, die sich ausschließlich an Vermeidungszielen („weniger von ...“) ausrichten, selten herausführen aus leidvollem Erleben, sondern meist immer tiefer hinein in Ohnmacht und Hilflosigkeit. Ergänzend und/oder alternativ gilt es darum, individuelle Annäherungsziele („mehr von ...“) zu ermitteln, die erlauben, eine allmähliche Besserung Schritt für Schritt wahrzunehmen und die kleine oder sogar große Erfolgserlebnisse ermöglichen. Erfahrungen mit „Was stattdessen“-Qualität wirken ermutigend für alle Beteiligten. Den Betroffenen vermitteln sie zudem wichtige Erfahrungen von Selbstkompetenz. Dies ist umso wichtiger, wenn relevante Probleme (incl. Schmerzen) nach wie vor vorhanden sind und es darüber hinaus große Herausforderungen zu bewältigen gilt. Letzteres ist typisch für den psychoonkologischen Kontext. Wissenschaftliche Grundlage für die wichtige Unterscheidung von Vermeidungsund Annäherungs-Zielen sind Erklärungsmodelle von neuronalen Netzwerken im Zentralnervensystem bzw. von der Aktivierung eines Behavioralen Inhibitionssystems (BIS) bei Vermeidungsbzw. eines Behavioralen Aktivierungssystems (BAS) bei Annäherungszielen. Eine „Was stattdessen“-Kommunikation auf Grund des BIS/BAS-Modells sowie auch Ericksons Auffassungen zur sog. „Drittel-Regel“ ermöglichen relevante und nachhaltig wirksame Erfahrungen der Selbstwirksamkeit (insbes. bei erfolgreicher Verwendung von Selbsthypnose). Als Bestandteil eines angemessenen schmerztherapeutischen GesamtTherapiekonzepts werden Hypnose und Selbsthypnose zu einem individuell maßgeschneiderten Ergänzungsangebot von oft erstaunlicher Wirksamkeit.
Stichworte: Milton Erickson, Schmerz, Schmerztherapie, Vermeidungsziele, Behavioral Inhibition System (BIS), Annäherungsziele, Behavioral Activation System (BAS), Hypnose, Selbsthypnose, therapeutische Kommunikation.
Sabine Fruth
Mit Hypnose in Frieden sterben. Begleitung eines jungen Lymphompatienten mit „Imaginären Körperreisen“ in den letzten Wochen seines Lebens.
Ein Fallbericht
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2), 79-94
Dargestellt wird die sechswöchige Begleitung eines 19-jährigen Lymphompatienten in der letzten Phase seines Lebens. Bevor er die Autorin kennenlernte, hatte er bereits eigenständig begonnen mit „Imaginären Körperreisen nach Sabine Fruth“ zu arbeiten. Während acht intensiver, gemeinsamer Reisen erlebten wir Besserung und Erfolg, Erkenntnis und Akzeptanz sowie am Ende Loslassen und Verabschiedung in Frieden mit sich selbst am inneren Wohlfühlort. Meine wichtigste Erkenntnis als Wegbegleiterin war die eigene Demut vor den individuellen Erkenntnissen des Patienten; meines Erachtens in diesem Fall der einzig mögliche Weg. Besonders in einem so schweren Fall ist es wichtig, begleitend zur Seite zu stehen, den Rahmen zu halten und genug Raum zu lassen, damit auf unbewusster Ebene individuelle Entscheidungen getroffen werden können. So war es am Ende stimmig für den Patienten.
Mark P. Jensen
Department of Rehabilitation Medicine, University of Washington, Seattle, WA, United States
Überlegungen zum Stand der Wissenschaft der Hypnose
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2),99-122
Dieser Beitrag fasst die Überlegungen des Autors zu den Fortschritten zusammen, die in den 40 Jahren seit dem ersten M.E.G.-Kongress im Oktober 1984 in Bezug auf unser Verständnis der Wirksamkeit und der Mechanismen der klinischen Hypnose gemacht wurden. Fortschritte gab es in drei Schlüsselbereichen: (1) in unserem Verständnis der positiven Wirkungen der Hypnose (mit der Frage: Ist Hypnose wirksam?), (2) in unserem Verständnis der Mediatoren der Hypnose (mit der Frage: Wie wirkt Hypnose?) und (3) in unserem Verständnis der Moderatoren der Hypnose (mit der Frage: Für wen ist Hypnose wirksam?). Zum Zeitpunkt des ersten M.E.G.-Kongresses gab es nur sehr wenige veröffentlichte randomisierte klinische Studien, in denen die Wirksamkeit der Hypnose untersucht wurde. Seitdem hat die Zahl der klinischen Studien und ihre wissenschaftliche Qualität stetig zugenommen. Wir verfügen über die besten Belege für die Wirksamkeit der Hypnose bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms, bei Depressionen und sowohl bei akuten als auch chronischen Schmerzen. Darüber hinaus haben Fortschritte in der Technologie zur Bildgebung des Gehirns ein besseres Verständnis der neurophysiologischen Prozesse ermöglicht, die den Wirkungen der Hypnose zugrunde liegen. Und schließlich haben Wissenschaftler in jüngster Zeit damit begonnen, die Faktoren zu untersuchen, die vorhersagen, wer mit größerer Wahrscheinlichkeit von einer Hypnosebehandlung profitieren wird und wer mit geringerer. Die Forschung in allen drei Bereichen wird wahrscheinlich fortgesetzt. In dem Maße, in dem unser wissenschaftliches Verständnis der Wirkungen und Mechanismen der klinischen Hypnose zunimmt, wird auch das Interesse an der Hypnose bei den Patienten steigen, die eine Behandlung wünschen, bei den Ärzten, die diese Behandlung anbieten, und bei den Geldgebern, die diese Behandlung bezahlen.
Jenny Rosendahl und Antonia Haddenhorst
Universitätsklinikum Jena, Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie
Wirkungen und Nebenwirkungen von klinischer Hypnose
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2), 123-138
Für eine angemessene Beurteilung, ob eine Intervention für Patient:innen hilfreich sein kann, ist eine ausgewogene Beurteilung sowohl der positiven als auch der negativen Effekte nötig. Ziel dieses Beitrages ist eine Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes zu Wirkungen und Nebenwirkungen von klinischer Hypnose. Zur Wirksamkeit von Hypnose für verschiedene psychische und körperliche Gesundheitsprobleme liegt eine Vielzahl von randomisiert-kontrollierten Studien vor. Die überwiegende Mehrheit der Ergebnisse weist auf positive Effekte von Hypnose hin. Die größten Effekte wurden bei der Anwendung von Hypnose bei Kindern und Jugendlichen, bei der Schmerzbehandlung und bei der Unterstützung medizinischer Eingriffe bzw. Prozeduren festgestellt. In der klinischen Praxis wird Hypnose insbesondere zur Stressund Angstreduktion, zur Steigerung des Wohlbefindens und des Selbstwertgefühls, zur Operationsvorbereitung, Förderung der Achtsamkeit und bei Wehen und Geburt als wirksam eingeschätzt. Unerwünschte Ereignisse bzw. Nebenwirkungen von Hypnose werden in randomisierten Studien nur selten untersucht. In der klinischen Praxis berichten mehr als die Hälfte der Hypnotherapeut:innen durch Hypnose bedingte negative Effekte, wenngleich schwerwiegende Nebenwirkungen offenbar recht selten sind.
Schlüsselwörter: Klinische Hypnose, Hypnotherapie, Wirksamkeit, Nebenwirkungen, Leitlinien
Winfried Häuser
Medizinisches Versorgungszentrum für Schmerzmedizin und seelische Gesundheit Saarbrücken sowie Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Technischen Universität München
Bauchhypnose – eine leitlinienempfohlene Therapie des Reizdarmsyndroms
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2), 139-155
Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist eine häufige Gesundheitsstörung, die mit Beeinträchtigungen im Alltag und einer verminderten gesundheitsbezogenen Lebensqualität einhergehen kann. Das RDS wird als eine Störung der Gehirn-Darm-Achse eingestuft. Es ist eine sehr heterogene Erkrankung, was die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen, das klinische Bild und das Ausmaß der funktionellen Beeinträchtigung betrifft. Im Rahmen eines biopsychosozialen Modells des RDS können psychosoziale Faktoren eine Rolle bei der Prädisposition, der Auslösung und der Entwicklung einer Chronifizierung spielen. Bei einem einzelnen Patienten können somatische oder psychosoziale oder eine Mischung aus beiden Faktoren vorherrschen.
Die darmgerichtete Hypnose (Bauchhypnose) ist eine spezielle Form der medizinischen Hypnose, die standardisierte darmgerichtete Suggestionen (Hypnose) mit auf die psychologischen Eigenschaften des Patienten zugeschnittenen Suggestionen (Hypnotherapie) kombiniert. Von den psychotherapeutischen Verfahren weisen die kognitiven-behvioralen Therapien und die darmgerichtete Hypnose in kontrollierten Studien die größte Evidenz für die kurzund langfristige Wirksamkeit bei RDS auf und werden in den aktuellen europäischen und nordamerikanischen Leitlinien für Gastroenterologie als Zweitlinien-Behandlungsoptionen empfohlen. Standardisierte Bauchhypnose ist in Form von Audiodateien erhältlich und kann Teil eines Multikomponenten-Selbstmanagement-Ansatzes durch digitale Gesundheitsanwendungen sein. Sie kann – je nach den Präferenzen des Patienten – als Erstlinientherapie für leichte Formen des Reizdarmsyndroms eingesetzt werden. Schwere Formen des Reizdarmsyndroms erfordern ein interdisziplinäres Management von Angesicht zu Angesicht. Eine standardisierte Bauchhypnose und eine auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Hypnotherapie können Teil dieses Ansatzes sein.
Schlüsselwörter: Reizdarmsyndrom; Bauchhypnose; Wirksamkeit; Gastroenterologie; Leitlinien
Maria Hagl
Studien zur Wirksamkeit von klinischer Hypnose und Hypnotherapie im Jahr 2023
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2), 157-180
Im Auftrag der Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose e. V. erfolgt jährlich eine Übersicht zu englischund deutschsprachigen randomisierten kontrollierten Studien (randomized controlled trials; RCTs) und Metaanalysen zur Wirksamkeit von klinischer Hypnose und Hypnotherapie. Dazu wurde eine systematische Literatursuche in den Datenbanken MEDLINE, APA PsycINFO und PSYNDEX nach entsprechenden, im Jahr 2023 in Zeitschriften mit Gutachtenverfahren publizierten Studien durchgeführt. Es wurden insgesamt elf RCTs mit klinischen Stichproben gefunden, in denen hypnotherapeutische Interventionen mit einer Kontrollgruppe verglichen wurden, in einem Fall in der Behandlung einer psychischen Störung. Dabei und in drei weiteren RCTs zur Behandlung von chronischen Beschwerden kam Hypnotherapie durch eine ausgebildete Fachkraft zum Einsatz, davon einmal per Videokonferenz. Es handelt sich bei allen vier Studien um kleinere Pilotstudien zur Machbarkeit, die den Ausgangspunkt für größer angelegte RCTs bilden können. In drei RCTs wurde die Behandlung von chronischen Beschwerden mit Hypnose über ein digitales Medium (Audiodatei oder Smartphone-App) evaluiert. In vier weiteren RCTs wurde Hypnose bei medizinischen Eingriffen evaluiert, in zwei davon per Virtual-Reality-Brille vermittelt. Auch in einigen anderen neu zu Hypnose publizierten RCTs, in denen jedoch nicht spezifisch für deren Wirkanteil kontrolliert wurde, wurde auffallend oft Hypnose per Virtual-Reality-Brille eingesetzt, und dies gilt ebenso für im Jahr 2023 in den Studienregistern neu angemeldete RCTs. Damit zeigt sich der allgemeine Trend zur Digitalisierung im Gesundheitswesen im Bereich der klinischen Hypnose sehr deutlich, worauf in der Diskussion ausführlicher eingegangen wird. Noch ist nicht ausreichend evaluiert, ob sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen mit Hypnose einen nachhaltigen Nutzen erbringen und ob speziell Hypnotherapie sich ohne Wirkungsverlust als Videobehandlung durchführen lässt.
Schlüsselwörter: Hypnose, Hypnotherapie, Wirksamkeit, Evidenz, randomisierte kontrollierte Studien, RCT, Metaanalyse, Übersichtsarbeit.
Sarah Becker, Ann-Christine Ehlis, David Rosenbaum, Betti Schopp, Ramona Täglich, Dirk Revenstorf
Universität Tübingen, Psychologisches Institut
Auswirkung von Hypnose und Exposition in virtueller Realität auf die subjektive Trancetiefe und hirnphysiologische Korrelate bei Akrophobie. Eine Pilotstudie
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2), 181-194
In den letzten Jahren wurde Hypnose vermehrt in Zusammenhang mit virtueller Realität (VR) zur Behandlung psychischer Störungen untersucht. Die hirnphysiologischen Veränderungen fanden bisher jedoch wenig Beachtung. Die vorliegende Pilot-Studie untersucht die Wirksamkeit von Audio-Tranceinduktion vs. audiovisueller VR-Tranceinduktion bei hochund niedrigsuggestiblen Personen, die an einer Höhenangst leiden. Die Teilnehmenden nutzten ein VR-Headset und durchliefen eine Tranceinduktion und anschließend eine Höhenexposition in einer virtuellen Umgebung. Es wurden die subjektive Trancetiefe, funktionelle Konnektivitäten (FC) mit fNIRS und die Veränderung der Höhenangst untersucht. Die funktionellen Konnektivitäten fungierten als hirnphysiologische Korrelate der Trancetiefe. Grundsätzlich wurde angenommen, dass Hochsuggestible tiefer in Trance gehen und dass die audiovisuelle VR zu einer tieferen Trance führt als die Audio-Tranceinduktion ohne visuellen Input. Es zeigte sich tatsächlich eine tiefere subjektive Trance bei Hochsuggestiblen. Außerdem wurde angenommen, dass Niedrigsuggestible in größerem Ausmaß von der audio-visuellen Tranceinduktion profitieren als Hochsuggestible, was bei Ersteren zu einer tieferen Trance führen würde, als wenn sie nur eine auditive Trance hören. Dies sollte bei Hochsuggestiblen nicht der Fall sein, da sie durch die VR-Bebilderung von eigenen inneren Bildern abgelenkt werden. Der unterschiedliche Einfluss von auditiver und audiovisueller Darbietung konnte hier bestätigt werden. Es wurde auch vermutet, dass der Übergang von der Tranceinduktion zur Höhenexposition eine Erhöung der FC hervorruft, da durch die entstehende Angst die Trance vermindert werden könnte. Dies bestätigte sich nicht. Es zeigten sich auch keine Unterschiede in den FC während der Höhenexposition in Bezug auf Suggestibilität und Induktionsform. Weiterhin wurde angenommen, dass geringere FC mit einer größeren Angstreduktion durch die Exposition zusammenhängen. Ein entsprechender signifikanter Zusammenhang konnte zwischen der Reduktion der Zustandsangst (STAI) und geringeren FC zwischen dem linken DLPFC und dem Präcuneus gefunden werden. Eine Reduktion der Höhenangst (HIQ) dagegen ging mit einer geringeren FC zwischen dem rechten DLPFC und dem Präcuneus einher. Es werden die Implikationen der Ergebnisse, die untersuchten Hirnareale, sowie die Generalisierung der Ergebnisse diskutiert.
Schlüsselworte: Hypnose, Virtuelle Realität, Höhenangst, fNIRS, DLPC, Präcuneus
Wolfgang H. R. Miltner
Institut für Psychologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Die Kontrolle von Schmerzen mittels Hypnose: Eine Reise in die Tiefen des Gehirns
Hypnose-ZHH 2024,19(1+2), 195-225
Der folgende Beitrag fasst psychophysiologische und neurowissenschaftliche Studien und Überlegungen zusammen, die sich der Frage widmen, was im Gehirn des Menschen stattfindet, wenn Personen hypnotisiert sind und ihnen dabei suggeriert wird, dass sie in Reaktion noxischer (schmerzhafter) Reize keine oder zumindest weniger Schmerzen empfinden. Diesen Beobachtungen der sog. hypnotisch-induzierte Analgesie werden einige Vergleichsbedingungen gegenüberstellt, bei denen Personen aufgefordert werden, sich von den Reizen abzulenken oder ohne spezielle Aufgabe diese Reize zu verarbeiten. Damit verbunden sind auch Fragen, ob sich die Gehirnvorgänge und der Austausch zwischen verschiedenen frontalen und sensorischen Hirnarealen bei diesen verschiedenen Bedingungen voneinander unterscheiden. Ferner wird dargestellt, dass sich Hypnotisierte solche Wahrnehmungsänderungen nicht einfach nur einbilden und nur so tun, als ob die vorgeschlagenen Reizereignisse nicht mehr wahrgenommen werden, sondern reale Erfahrungen darstellen. Eine kurze Zusammenfassung erläutert, welche Gebiete des Gehirns in die Verarbeitung noxischer Reize involviert sind, welche neuronalen Mechanismen für die Entstehung des Gefühls Schmerz verantwortlich sind und mit welchen Methoden sie untersucht werden können. Danach werden mehrere Studien besprochen, die mit Hilfe aus dem Elektroenzephalogramm abgeleiteter neuronaler Korrelate frühe Aufmerksamkeitsprozesse und die Verarbeitung somatosensorischer und emotionaler Aspekte sowie der Intensität noxischer Reize bedeutsam sind und für die Untersuchung der Wirkung medizinischer und psychotherapeutischer Methoden genutzt werden können. Die Ergebnisse dieser Studien werden abschließend vor dem Hintergrund einiger Theorien zur Hypnose unter Abwägung methodischer Probleme diskutiert und es wird postuliert, dass Hypnose nur wirkt, indem sie die Aktivität genau jener Gehirnfunktionen und Netzwerkaktivitäten des Gehirns verändert, die für die Konstitution von Schmerz unverzichtbar sind.
Schlüsselworte: Hypnose, Ablenkung, Simulation, Schmerz, Gehirnareale, EEG, EKP