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Band 2, Doppelheft 1+2, Oktober 2007, 192 Seiten

der Zeitschrift Hypnose - Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie (Hypnose-ZHH)

Inhaltsangabe

  • Claire Frederick, Tufts University of Medicine, Boston, MA, USA
    Ausgewählte Themen der Ego State Therapie
  • Luise Reddemann, Universität Klagenfurt
    Ego States und Traumatherapie
  • Burkhard Peter, München
    Zur Geschichte der dissoziativen Identitätsstörung: Justinus Kerner und das Mädchen von Orlach
  • Peter Lembrecht, Husum
    Beispiel eines 4-Phasen-Modells für Hypnotherapie bei komplexen Störungen
  • Sabine Sühnel, Berlin
    Erickson: Von der Theorielosigkeit zur Theorie

Abstracts & Download

Claire Frederick, Tufts University of Medicine, Boston, MA, USA

Ausgewählte Themen der Ego State Therapie
Hypnose-ZHH, 2007, 2(1+2), 5-100

These: Die hier ausgewählten Themen sind eine Einführung in die Ego State Therapie, ursprünglich für die Leser des International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis (Vol. 53, 2005). Diese Themen haben ebensoviel zur Persönlichkeitstheorie und zu den Techniken der psychodynamischen Psychotherapie beizutragen wie zur Ego State Therapie.

Darlegung: In den Kapiteln eins bis vier wird ein Überblick über die Ego State Therapie gegeben, über Ähnlichkeiten und Unterschiede zu Ansätzen der systemischen Familientherapie (Schwartz, 1995) und anderen Formen von Polypsychismen, über die Art und Beschaffenheit von Ich-Zuständen, das Wesen von Kern-Ich-Phänomenen, die Diagnose pathologischer Ich-Zustände, sowie die notwendigen Behandlungselemente, derer sich dieser Ansatz bedient. In Kapitel fünf und sechs wird grundsätzliches Material zum therapeutischen Bündnis sowie zur Übertragung und Gegenübertragung dargestellt, um so einige Hintergrundinformationen über den Einsatz in der Ego State Therapie zu vermitteln. In Kapitel sieben wird erörtert, wie Ich-Zustände entwickelt und modifiziert werden können und wie die Bedeutung positiver Ich-Zustände in Psychotherapie und Pädagogik eingeschätzt werden kann.

Schlussfolgerungen: Die Autorin hofft, dass die vermittelten Inhalte weitergehendes Interesse anregen mögen.

Schlüsselwörter: Ego State Therapie, Ich-Zustände, Kern-Ich-Phänomene, Polypsychismus

Luise Reddemann, Universität Klagenfurt

Ego States und Traumatherapie
Hypnose-ZHH, 2007, 2(1+2), 101-115

These: Ego State Therapie eignet sich sehr gut in der Traumatherapie.

Darlegung der These: Es wird dargelegt, wie sich Ego State Konzepte in die Behandlung von Menschen mit Traumafolgestörungen integrieren lassen und wie sehr dieses Konzept den Bewältigungsversuchen der PatientInnen nahe kommen kann, so dass ihre Selbststeuerungskompetenzen gestärkt werden.

Schlussfolgerung: Das Ego State Modell scheint sich besonders für die Arbeit mit kindlichen Anteilen zu bewähren sowie in der Arbeit mit als störend und destruktiv erlebten Teilen. Es wird besonders Wert darauf gelegt, dass diese Form des therapeutischen Zugangs für die Affektsteuerung der PatientInnen von Gewinn sein kann.

Schlüsselwörter: Ego State Therapie, Traumatherapie, inneres Kind, Dissoziation, Affektregualtion

Burkhard Peter, München

Zur Geschichte der dissoziativen Identitätsstörung: Justinus Kerner und das Mädchen von Orlach

Hypnose-ZHH, 2007, 1(1+2), 117-132

These: Weder in Deutschland noch international bekannt sind jene Fälle von „magisch-magnetischer“ Krankheit und Besessenheit, die von Justinus Kerner um 1830 ausführlich dokumentiert worden sind.

Standpunkt: Sie bieten genügend Anhaltspunkte, um sie als dissoziative Störungen, manche sogar als ausgesprochene dissoziative Identitätsstörung (früher Multiple Persönlichkeitsstörung) zu betrachten.

Schlussfolgerungen: Anhand der „Geschichte des Mädchens von Orlach“ soll diese historische Lücke gefüllt und Justinus Kerner in seiner Stellung als bedeutender deutscher Arzt des romantischen Somnambulismus und als früher (Hypno-) Therapeut für Dissoziative Identitätsstörungen gewürdigt werden.

Schlüsselwörter: Justinus Kerner, dissoziative Identitätsstörung, Multiple Persönlichkeitsstörung, romantische Medizin

Peter Lembrecht, Husum

Beispiel eines 4-Phasen-Modells für Hypnotherapie bei komplexen Störungen
Hypnose-ZHH, 2007, 1(1+2), 133-155

These: Dieser Artikel beschreibt die Umstände und Überlegungen, die zum Konzept eines in verschiedene Phasen gegliederten hypnotherapeutischen Vorgehens geführt haben. Dieses Konzept hat den Arbeitstitel „4-Phasen-Modell“.

Darlegung der These: Es folgt eine kurze Erklärung der einzelnen Phasen des Modells. In der ersten Phase erfolgt der Aufbau einer therapeutischen Beziehung zum Klienten, die Diagnose (einschließlich der Erfassung von Ressourcen) und eine psychophysiologische Stabilisierung. In der zweiten Phase wird weiter an dieser Stabilisierung gearbeitet; dazu gehört die Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartungen, die Stärkung der Selbstheilungskräfte und eine allgemeine Ich-Stärkung. Diese Vorgänge beruhen auf der Aktualisierung und Förderung allgemeiner Ressourcen im Trancezustand. Die direkte hypnotherapeutische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Symptomen folgt in der dritten Phase. Die funktionellen Aspekte der Symptome werden hierbei ebenfalls berücksichtigt. In der vierten Phase werden weitere psychodynamische Aspekte einbezogen: die hypnotherapeutische Behandlung der ursächlichen Bedingungen der Störungen und die unbewussten infantilen Bewältigungsstrategien. Diese Aspekte betreffen die gesamte Persönlichkeit des Klienten und zielen auf seine Entwicklung zu einer kongruenten, stabilen Persönlichkeit. Weiter wird in dem Artikel kurz auf Probleme im Zusammenhang mit multiplen Störungen hingewiesen. Besonders bei multiplen Störungen mit stressbezogenen somatischen Symptomen kann das 4-Phasen-Modell einen guten Hintergrund für die Planung und Durchführung therapeutischer Interventionen aufzeigen. Abschließend wird die praktische Durchführung des Modells an einem komplexen Fallbericht aufgezeigt.

Standpunkt des Autors: Die Entwicklung und Umsetzung der hier vorgestellten Ideen geschah in den vergangenen Jahren meiner praktischen therapeutischen Tätigkeit. Ein wesentliches Ziel dieses Konzepts ist die Integration von Hypnose in den Kontext planbarer, strukturierter psychotherapeutischer Maßnahmen.

Schlussfolgerungen: Das beschriebene therapeutische Vorgehen nach dem 4-Phasen-Modell hat sich bei multiplen Störungsbildern mit zusätzlichen somatischen Symptomen bewährt, beispielsweise bei Angst-Syndromen, Panikstörungen, psychosomatischen Krankheiten, chronischen Schmerzen und den unterschiedlichsten Symptomen intensiver Stressbelastung.

Schlüsselwörter: Hypnose, Hypnotherapie, Stress, Ressourcenaktivierung, symptomorientiertes Vorgehen, psychodynamisches Vorgehen

Sabine Sühnel, Berlin

Erickson: Von der Theorielosigkeit zur Theorie
Hypnose-ZHH, 2007, 2(1+2), 157-175

These: Der Psychiater Milton H. Erickson (1901-1980) wird als der einflussreichste Hypnotherapeut des 20. Jahrhunderts angesehen. Die Analyse seines Gesamtwerkes zeigt aber, dass in der bisherigen, ausschließlich die klinischen Betrachtungen fokussierende Rezeption, Entscheidendes übersehen wurde: Ericksons lebenslange Forschung zum Phänomen der Hypnose.

Darlegung der These: Ericksons Originalität liegt in seiner Fähigkeit zu sehr individuell ausgerichteten, spontanen Tranceinduktionen, die er der jeweiligen Situation und der mit ihr verbundenen einzigartigen inneren Erlebniswelt des einzelnen Klienten anpasste. Originell ist dieser Ansatz auch deshalb, weil er damit die zu seiner Zeit üblichen Methoden der Hypnoseeinführung, Annahmen zur Rolle des Therapeuten, sowie die Konzepte des Unbewussten und des Selbst verließ. Deshalb ordnete er seine Arbeit auch keiner bestimmten Richtung zu. Bedauerlicherweise entwickelte er aber auch kein eigenes theoretisches Konzept, zum Beispiel zum Wesen und der Wirkweise von Hypnose. Trotz des offensichtlichen Erfolges seiner therapeutischen Verfahren betonte Erickson gleichzeitig immer wieder explizit die nur relative Bedeutsamkeit von Techniken.

Standpunkt der Autorin: Diese Diskrepanz zwischen Rezeption und Selbsteinschätzung, aber auch die Beobachtung, dass es den Nachfolgern Ericksons nicht recht gelingen mag, bei Anwendung der scheinbar gleichen Techniken auch die entsprechenden Therapieerfolge zu erzielen, waren Anlass, Ericksons Grundannahmen über den Menschen, seine Gesundheit und Krankheiten sowie den Heilungsprozess auch mittels seines bislang nicht ausgewerteten Forschungsmaterials herauszuarbeiten.

Folgerungen: Das Ergebnis dieser Zusammenschau Ericksons klinischer und experimenteller Studien führte zu einem vollständigeren und damit neuen Verständnis von Milton H. Ericksons Leistungen, mit denen ihm eigentlich ein Platz nicht nur in der Geschichte der Hypnosetherapie, sondern in der gesamten Psychologiegeschichte zukommen müsste. Darüber hinaus bietet sie auch einen interessanten Schlüssel zum missing link in der bisherigen hypnotherapeutischen und sonstigen Ausbildungspraxis: Die Schulung innerer Reife, die den Therapeuten befähigt, den Klienten in seinem Sein anzunehmen und ihm eine, auf allen Ebenen vertrauensvolle Situation zu schaffen, in der er sich seiner unverfälschten Wirklichkeit, seiner eigenen Wahrheit und neuen Möglichkeiten öffnen kann.

Schlüsselwörter: Milton H Erickson, Hypnose, Hypnosetherapie, Psychotherapie, Trance.